Gemeinde Ahrensfelde:
Die Bauspekulanten jubeln –
4:1 für die Abholzung
von 6200 qm Wald in Mehrow
Im
Wirtschaftsausschuss der Gemeindevertretung stimmen Jörg Dreger (SPD), Frank
Meuschke (CDU), Oda Formazin (Freie Wähler) und Marco Länger (AfD) der
Zerstörung vieler wertvoller Biotope an der Lake für ein hoch umstrittenes
Bauvorhaben zu. Auch von Bürgermeister Gehrke (CDU) kommt zum Vorentwurf kein
Wort der Kritik – im Gegenteil.
Endlich mal Vorrang für Klima- und Umweltschutz? Eine
weitere Chance dafür ist vertan. Nur Frank Schulze traute sich am vorvergangenen
Dienstagabend, der versammelten Bau-Lobby zu widersprechen. Die übrigen vier
anwesenden Mitglieder des Wirtschaftsausschusses dagegen hoben ihre Hand für
das frevelhafte Bauvorhaben, dem am Ortsrand von Mehrow schon bald 6200 qm
ausgewiesene Waldflächen durch eine nahezu komplette Rodung zum Opfer fallen sollen
(siehe dazu unseren Blogeintrag vom 7. Oktober weiter unten).
Immerhin: Mit Frank Schulze zeigte wenigstens ein gewählter
Gemeindevertreter echtes Engagement, Kompetenz und Rückgrat. Standhaft
kritisierte der parteilose Ahrensfelder, der für Bündnis 90/Grüne neu in die
Gemeindevertretung gewählt worden ist, den geplanten Umweltfrevel und äußerte
Zweifel an der von der Verwaltung vorgelegten "Abwägung", an dem das Bernauer
Planungsbüros W.O.W. offenkundig intensiv beteiligt war – und die auch unserem
gemeinnützigen Umweltverein in hohem Maße einseitig und unausgewogen erscheint. Er könne so
etwas nicht zustimmen, sprach Schulze gleich zu Beginn Klartext.
Es sind erfreuliche neue Töne in den bisher oft trostlosen
Abnick-Veranstaltungen dieser Gemeindevertretung. Soll heißen: Die Verwaltung
und der Bürgermeister nutzen hemmungslos ihren Informationsvorsprung, bereiten
Bauvorhaben nach den Wünschen allermöglichen „Investoren“ beschlussreif vor und
die Gemeindevertretung darf dann brav noch die Hand dafür heben. Im Sinne der
Demokratie und Gewaltenteilung ist das sicher nicht – denn die Verfassung unseres
Landes sieht vor, dass von den Bürgern gewählte Parlamente als Souverän die
Richtung vorgeben und nicht Verwaltungen, die nicht mehr als ausführende Organe
sein sollen.
Als einziger der fünf anwesenden Mitglieder des Ausschusses
für Wirtschaft, Bauwesen, Umwelt und Natur hinterfragte Schulze die vorgelegte „Abwägung“
kritisch und setzte sich für den Erhalt der Waldflächen ein. Auf dem rund 100 x
60 Meter großen Natur-Areal stehen viele hundert junge Laubbäume und es gibt
geschützte Lichtungen, die Lebensraum und Brutgebiete für zwei Dutzend
Vogelarten sind, auch für streng geschützte Arten wie die Goldammer (siehe
Umweltbericht und unseren Post unten).
So wünschen wir uns Gemeindevertreter: kompetent, sachlich,
distanziert, hinterfragend. Nur so kann das Parlament der Souverän und die
Kontrollinstanz sein, die der Verwaltung und dem Bürgermeister auf die Finger
schaut. Gewaltenteilung kann nicht funktionieren mit ahnungslosen Ja-Sagern, die
Beschlussvorlagen nicht gelesen haben, Sachverhalte nicht kapieren,
Hintergründe nicht kennen und deshalb brav alles nachplappern und absegnen, was
ihnen ein allseits Strippen ziehender Bürgermeister Gehrke (CDU) und seine
Behörde vorsetzen.
Letzteres haben wir in den letzten Jahrzehnten leider schon hier
allzu oft erlebt – gerade bei diesem skandalösen Grundstücksgeschäft. Auch am
Dienstag konnte von einer wirklichen Debatte vor dem Abwägungsbeschluss zum
B-Plan-Entwurf keine Rede sein. Dabei hätte es allen Grund dazu gegeben. Denn
diese Abwägung erscheint in hohem Maße einseitig zu Gunsten des
Grundstückskäufers, der 6200 qm wertvolle Wald für seine gerade mal sechs
Einfamilienhäuser abholzen will.
In den letzten Jahren wurde in der Gemeinde von
interessierter Seite nicht nur an den Stammtischen die Behauptung verbreitet,
das Bauvorhaben im Außenbereich an der Lake sei so gut wie sicher und das
bisschen Wald doch nicht so wichtig. Wem nützt solches Geschwätz? Doch nur dem
Käufer der Forstflächen und Biotope, der bei der Zerstörung der 6200 qm
Naturareale und Vermarktung als Bauland hohen sechsstelligen Reibach erwarten
darf.
Natürlich waren die Grundstückskäufer am Dienstag als Gäste in
der ersten Zuhörerreihe anwesend. Sie durften mit dem Verlauf des Abends
zufrieden sein. Denn außer dem wackeren Frank Schulze fand sich kein
Ausschussmitglied, das auch nur ansatzweise zur 34-seitigen Abwägung von W.O.W.
kritisch nachfragte. Es schien vielmehr so, als habe kein einziger der übrigen
Gemeindevertreter das fragwürdige Papier überhaupt richtig gelesen.
Dabei geht es um den zentralen Punkt nach §1 Absatz 7 des
Baugesetzbuches. Demnach sind grundsätzlich öffentliche und private Belange
gegeneinander und untereinander abzuwägen. Das bedeutet: Es ist sorgfältig, objektiv und gewissenhaft zu prüfen, welche
womöglich schädlichen Folgen ein privates Bauvorhaben für das Allgemeinwohl
haben kann und ob diese Nachteile auszugleichen sind.
Das ist Aufgabe der Verwaltung. Wie solche Verfahren in
Ahrensfelde durchgeführt werden, davon wird noch zu berichten sein. Das ist ein
wichtiges Thema für sich.
Fakt in Mehrow ist: Die geplante Abholzung und Rodung von 6200
qm Forst bedeutet überaus massive Eingriffe in die letzten vorhandenen
Waldflächen und den schwerwiegenden Verlust von Lebensräumen geschützter Arten.
Der Umweltbericht beschreibt auf vielen Seiten die gravierenden Folgen. Und
darin sind vermutlich noch nicht einmal alle Folgen enthalten.
Alle großen Naturschutzorganisationen Brandenburgs –
darunter BUND, NABU und Grüne Liga – lehnen deshalb in ihrer fachlichen und
sachkundigen Stellungnahme zum B-Planentwurf das Vorhaben strikt ab und halten
die schwerwiegenden Verluste von Biotopen explizit für nicht ausgleichbar. Auch
die Forstbehörde äußert den Unterlagen zufolge große Bedenken, weil der
Waldbestand in Mehrow mit unter 10 Prozent schon jetzt bedenklich gering sei
und durch die Kahlschläge weiter reduziert würde.
Kurzum: Alle vernünftigen Menschen, die sich vor Ort das
Naturareal angeschaut haben, beurteilen die Baupläne und eine fast komplette Rodung
des jungen Laubwaldes als völlig unverantwortlich. Und zwar schon aus Gründen
des Klimaschutzes.
Müssen eigentlich erst Aktivisten von Fridays for Future,
Extinction Rebellion oder Robin Wood vor der Gemeindeverwaltung zum Protest
aufmarschieren, bevor die zuständigen Verantwortlichen
endlich zur Vernunft kommen? So etwas ist ja heutzutage nicht ausgeschlossen,
wenn Aktivisten Wind von solchem Umweltfrevel bekommen…
Am Dienstag jedenfalls hätten schon zwei weitere Aufrechte
im Ausschuss genügt, um die einseitige Abwägung von W.O.W. zu Lasten des
Klima-, Umwelt- und Artenschutzes mit 3:2 Stimmen abzulehnen. Doch leider gab
es schon in der Bürger-Fragestunde vor der Abstimmung wieder mal nur das große
Schweigen auf meine Frage in die Runde, ob die Mitglieder solch eine
fragwürdige Abwägung wirklich verantworten können.
Das werde man in der Debatte beraten, blockte eilends der
langjährige Ausschussvorsitzende Jörg Dreger ab, der vor Jahren schon den
fragwürdigen Flächennutzungsplan für Mehrow passieren ließ. Fragwürdig deshalb,
weil der FNP dem Käufer der Brachflächen über Nacht wertvolles
Bauerwartungsland verschaffte und nun das Todesurteil für die Biotope bedeuten
könnte. Schon damals haben wir umfassend und öffentlich vor den Folgen gewarnt,
auch in mehreren Sitzungen der Gemeindevertretung und der Ausschüsse. Herr
Gehrke und Herr Dreger werden sich erinnern…
Nein, von SPD-Mann Dreger, selbst mit seinen Zäunen in der
Baubranche aktiv, ist keinerlei Unterstützung für Natur-, Klima- und
Artenschutz zu erwarten! Warum soll ein solcher Unternehmer Bauvorhaben verhindern? Man muss sich bei
solchen Parteivertretern wahrlich nicht wundern, dass die SPD so dramatisch an
Zustimmung verloren hat.
Und die übrigen Mitglieder? Leider kein Witz: Im
einstündigen öffentlichen Teil der Sitzung war von manchen Anwesenden kein
einziges Wort zu hören. Mancher schien zeitweise in seiner Ecke eingeschlafen
zu sein, ganz genau war das von den Zuhörerbänken nicht zu erkennen. Immerhin,
zur Abstimmung hoben dann fast alle brav die Hand.
Frau Formazin (Freie Wähler) wiederum beschränkte sich als
Planungs- und Bauexpertin einzig auf die beschönigende Aussage, durch
Ausgleichmaßnahmen könnten die Natureingriffe im Verfahren gemildert werden.
Allerdings weiß sie doch aus eigener Erfahrung, dass für solche Maßnahmen gerade
in unserer Kommune die Flächen fehlen, weil seit der Wende fast alle kommunalen
Grundstücke hemmungslos verscherbelt wurden, nicht selten auffällig günstig an
Ortsansässige, wie immer wieder zu hören ist.
Auch die Abholzung von 6200 Waldflächen und Biotopen in
Mehrow soll durch Aufforstungen ganz anderswo „kompensiert“ werden. Da soll es
auch schon Vereinbarungen geben, um die aufgebrachte Forstbehörde
ruhigzustellen. Aber was nützen Mehrow, seinen Einwohnern und der bedrohten
Tierwelt solche Pflanzungen anderswo, viele Kilometer entfernt irgendwo im „Naturpark
Barnim“? Ein Witz.
Keine Unterstützung für Natur-, Klima-, Umwelt- und
Artenschutz also auch von dieser Seite. Als langjährige Besitzerin der
verfallenen Mühle am Ortseingang, seit Jahrzehnten ein schlimmer Schandfleck
Mehrows, verfolgt Frau Formazin mit dem endlich begonnen schwierigen Umbau
ohnehin ganz eigene Interessen und will da vermutlich Gegenwind jeglicher Art
vermeiden.
Marco Länger (AfD) immerhin wagte einen sehr berechtigten
Einwand. Er widersprach zumindest indirekt W.O.W. und den anwesenden
Gemeinde-Juristen Schwarz und Reichert, die als Aufpasser gleich im Duo wortreich
das strittige Bauvorhaben zu rechtfertigen versuchten und mit der „Schaffung
von Wohnraum“ begründeten. Schaffung von Wohnraum? Davon könne in der Realität doch
kaum die Rede sein, warf Länger ein.
Denn es gingen ja gerade mal vier Grundstücke für
Einfamilienhäuser in den freien Verkauf, die beiden weiteren wolle der Käufer
der Waldflächen für sich selbst nutzen. Da traf Herr Länger den entscheidenden Punkt – dass nämlich der Nutzen
des zerstörerischen Bauvorhabens für die Allgemeinheit denkbar gering ist, die gravierenden
Folgen aber viel schwerwiegend sind. Widersinniger Weise stimmte der AfD-Mann dann
aber leider doch der Abwägung zu.
Vielleicht aber kommt auch seine Fraktion vor der nächsten
Abstimmung in der Gemeindevertretung am kommenden Montag nochmal ins Nachdenken?
Noch gibt es weitere Chancen, das Bauvorhaben und seine fragwürdige „Abwägung“ kritischer
als bisher zu prüfen.
Als vorläufiges Fazit bleibt festzuhalten: Den
Gemeindevertretern Dreger, Formazin, Meuschke und Länger sind die Interessen
der ortsansässigen Käufer an der lukrativen Vermarktung von vier
Baugrundstücken in dem wertvollen Naturareal ganz offenkundig wichtiger als
Grünspechte, Dorngrasmücken, Zauneidechsen, Fledermäuse und andere streng
geschützte, weil inzwischen seltene Lebewesen. Wäre es anders, hätten sie sich
dem wackeren Frank Schulze angeschlossen.
Dabei muss man wahrlich kein Biologe und Fachmann sein, um
angesichts der ausgeräumten Agrarsteppe rund um Mehrow zu ahnen, dass in den
letzten halbwegs unberührten Wald- und Naturflächen im Ort eine fröhliche
Vielfalt aller möglichen Tierarten ein letztes Rückzugsgebiet gefunden hat.
Zumal auch die nahe Lake und die verbundenen Weiherketten ideale Bedingungen
für die Brut und Aufzucht von Nachwuchs bieten.
Das alles ist im ausführlichen Umweltbericht nachzulesen
(siehe Blogeintrag unten). Es sollte für eine Gemeinde gerade in Zeiten des
Klimaschutzes selbstverständlich sein, solche Biotope zu erhalten und streng zu
schützen. In Ahrensfelde passiert das Gegenteil, unsere Initiativen dazu wurden
ignoriert oder ausgebremst. Einfach nur peinlich und ignorant – zumal manche
Akteure scheinheilig das Bienen- und Artensterben beklagen, dann aber für die
Zerstörung von deren Biotopen die Hand heben. Wie bigott ist das denn
bitte?
Noch gibt es Hoffnung. Am 21. Oktober um 19 Uhr steht mit
dem Beschluss der Gemeindevertretung zur ersten Abwägung die nächste Hürde für
das zerstörerische Vorhaben auf dem Terminplan. Dann wird die neu formierte
Gemeindevertretung die fragwürdigen Pläne beraten.
Wir werden die Beratung beobachten, die Abstimmung verfolgen und hoffen, dass sich gerade die gewählten neuen Mitglieder der
Gemeindevertretung mit dem Streitfall befassen und sich auch einmal hier vor
Ort anschauen, welche schönen Naturareale hier für eine schnöde Bebauung komplett verloren gehen würden.
Als
Vorsitzender von Mehrow 21 e.V. informiere ich Sie gerne über Hintergründe und
die Ziele unseres Umweltvereins. Rufen Sie mich an oder senden Sie eine Mail. Die
Kontaktdaten finden Sie unter
www.mehrow21.de
– ebenso wie viele interessante Texte und Dokumente zu unserem Einsatz seit 2010 für das „Grüne
Herz“ von Mehrow.
Mit dem Stopp dieses unverantwortlichen Verfahrens bestünde
die Chance, endlich den Beschluss zur Parkerweiterung umzusetzen – im Interesse
des Gemeinwohls. Und keine Sorge: Der ursprüngliche Eigentümer, der das Naturareal sowie
weitere inzwischen von ihm bebaute Flächen damals billigst ersteigerte, hat seinen
Schnitt längst mehr als gemacht. Weitere leistungslose Renditen zu Lasten der
Umwelt sind weder nötig noch zu rechtfertigen.
Soweit fürs Erste. Fortsetzungen folgen demnächst – dann zur
Rolle der Gemeindeverwaltung, zu den Demokratie-Defiziten in Mehrow und der
Verantwortung des Ortsvorstehers und früheren langjährigen Amtsdirektors Wollermann für die große Malaise an der Lake.
Es
bleibt spannend – versprochen!