Mittwoch, 12. Februar 2020

Wie in Mehrow 7000 qm Wald zerstört werden

Klima- und Artenschutz? Schutz von Wald und Freiflächen? Stopp der Zersiedelung und Spekulation? Fehlanzeige!  Im Großen wie im Kleinen knallt die Gemeinde Ahrensfelde unter Langzeit-Bürgermeister Wilfried Gehrke (CDU) und seinem Vize Swen Schwarz die Landschaft erbarmungslos mit Bauprojekten zu. Und das, obwohl die Infrastruktur schon jetzt teils völlig überlastet ist. Klientelpolitik allerorten.

Jüngste Beispiele: die geplante Umwandlung von 31 Hektar Ackerland am Rande von Ahrensfelde in Bau-Areale, was Investoren und Grundstückseignern zweistellige Millionenprofite bringen könnte. Und das Projekt an der Lake in Mehrow mit seiner skandalösen und anrüchigen Vorgeschichte, die hier im Blog und auf mehrow21.de dokumentiert und nachzulesen ist.

An diesem Dienstag (11.2.2020) hat nun der Ausschuss für Wirtschaft, Bauwesen, Umwelt und Natur mit seinen fragwürdigen Beschlüssen einmal mehr dafür gesorgt, dass 7000 qm ausgewiesene Waldflächen und Biotope im Außenbereich wohl bald den Baggern und Rodungen zum Opfer fallen, damit die ortsansässigen Grundstücksbesitzer Howaldt dort sechs sehr lukrative Baugrundstücke erhalten.

Verkaufswert: mindestens 500 000 Euro, eher deutlich mehr. Der vormalige Besitzer Heiko Schmidt hatte die Flächen 2008 als bloßes Brachland aus einer Konkursmasse für weniger als 50 000 Euro ersteigert und hat auf einer großen separaten Teilfläche bereits ein Haus am See errichtet. Hans-Jochen Vogel (94), der langjährige SPD-Vorsitzende, kritisiert in seinem aktuellen und lesenswerten Buch ("Mehr Gerechtigkeit!") die "leistungslosen Renditen" von Grundstückseignern und Bodenspekulanten. Hier in Mehrow werden sie befördert und sind zu besichtigen. Und der altehrwürdige SPD-Vordenker bleibt ungehört und unbeachtet.               

Unter Vorsitz seines Parteigenossen Jörg Dreger (SPD) stimmten am Dienstag fünf der sieben stimmberechtigten Ausschuss-Mitglieder und Gemeindevertreter der zweiten Abwägung zum Bebauungsplan zu, ebenso einem Städtebaulichen Vertrag und dem Satzungsbeschluss zum B-Plan "An der Lake". Falls die Gemeindevertretung am kommenden Montag (17.2.20, 19 Uhr, Gemeindesaal Ahrensfelde) der Empfehlung des Ausschusses folgt, können bald die Bagger rollen und die Waldflächen und Biotope endgültig zerstören.

Manche können es kaum erwarten, wie die mutmaßlich illegalen, frevelhaften und skandalösen Abholz-Aktionen im November zeigten (siehe Berichte und Fotos hier im Blog). Wie berichtet war die Leiterin der Forstbehörde Eberswalde sofort vor Ort und leitete nach unserer Anzeige ein Ordnungswidrigkeits-Verfahren wegen "ungenehmigter Waldumwandlung" gegen Herrn und Frau Howaldt ein.

Nach unseren Informationen wurden Herr und Frau Howaldt schriftlich aufgefordert, bis 21. Januar Stellung zu nehmen. Es gab keine Reaktion. Die Forstbehörde hakte darauf telefonisch nach und erhielt von Herrn Howaldt die Auskunft, es sei kein Schreiben eingegangen. Allerdings bekam die zuständige Zentrale Bußgeldstelle in Wünsdorf den Anhörungsbogen nicht als "nicht zustellbar" zurück. 

Herr und Frau Howaldt wurden deshalb inzwischen per Einschreiben erneut aufgefordert, eine Stellungnahme im Verfahren abzugeben. Wegen illegaler Waldabholzung können Bußgelder von bis zu 100 000 Euro verhängt werden. Eine Strafe bis in dieser Höhe hatte die Forstbehörde vor Jahren schon dem vormaligen Besitzer Heiko Schmidt nach einer ähnlichen Kahlschlag-Aktion angedroht, das Schreiben liegt uns vor.                
 
Warum aber genehmigt die Forstbehörde die Waldzerstörung? Immerhin geht es um einen Teil der letzten Forstfläche in Mehrow, wo der gesamte Waldanteil schon jetzt weniger als ein Zehntel beträgt und damit extrem gering ist. Die Antwort: Die Behörde sieht die Umwandlung zwar kritisch, ist aber an die kommunale Planungshoheit und deren Vorgaben gebunden. Und die Gemeinde Ahrensfelde hat zwischen 2011 und 2013 mit dem Flächennutzungsplan (FNP) beschlossen, dass aus der früheren und designierten Parkfläche kein Park mehr, sondern Bauland werden soll.

Daran kann leider auch die Forstbehörde nichts ändern. Wenn kurzsichtige Kommunalpolitiker ihre Grün- und Waldflächen unbedingt zerstören statt erhalten wollen, ist das leider in vielen Fällen möglich. Die Entscheidungen trifft die Gemeindevertretung, in Ahrensfelde meist getrieben von einer verfilzten Bau-Lobby und einer Verwaltung (sowie einem Bürgermeister als Verwaltungschef), die in der Regel die Richtung vorgibt, obwohl sie eigentlich im Sinne der Gewaltenteilung nur ausführendes Organ sein sollte.       

Mehrow 21 e.V. hat damals mit allen verfügbaren Mitteln gegen die skandalöse und offensichtliche Begünstigung eines einzelnen Grundstückskäufers (s.o.) im FNP und für ein "grünes Herz" in Mehrow gekämpft (siehe mehrow21.de). Doch schon seinerzeit stießen wir bei Bürgermeister Gehrke, dem Ausschuss-Vorsitzenden Dreger sowie anderen Verantwortlichen auf taube Ohren. Bauinteressen gingen vor.     

Wie ging nun die Abstimmung am Dienstag konkret aus? Anwesend waren alle 14 Mitglieder des Ausschusses, darunter sieben sachkundige Bürger. Für den B-Plan stimmten neben SPD-Mann Dreger aus Blumberg auch Frank Meuschke (CDU), Marco Länger (AfD), André Herzog (Linke) und Oda Formazin (Freie Wähler). Frank Schulze (für die Grünen) und Evelyn Freitag (Unabhängige) enthielten sich.

Die Debatte zu den Beschlüssen war kurz. Vize-Bürgermeister Swen Schwarz erläuterte mit Powerpoint-Vortrag die Vorgeschichte des Projekts, erneut mit erheblichen Lücken, die unsere Zweifel an der gebotenen Objektivität und Neutralität der Verwaltung eher noch verstärkt haben. So betonte Schwarz, dass zu DDR-Zeiten und nach der Wende auf den Flächen Garagen bzw. Reihenhäuser geplant waren, wies aber nicht darauf hin, dass schon 1995 die ohnehin fragwürdige Baugenehmigung für diesen Außenbereich ersatzlos entfallen ist.

Ebenso fehlte erneut der Hinweis, dass die Gemeindevertretung Ahrensfelde noch 2004 einstimmig mit dem Dorfentwicklungsplan Mehrow beschlossen hatte, dass die früheren Parkflächen wiederhergestellt werden und eben gerade KEIN Baugebiet dort entstehen soll. Das war dann nach der Versteigerung der Flächen an Herrn Schmidt dann plötzlich "unverbindlich".

Bedenken wegen der Waldzerstörung äußerte nur Frank Schulze. Er wies zu Recht darauf hin, dass weiterhin alle anerkannten Naturschutzverbände Brandenburgs das fragwürdige Vorhaben rundweg ablehnen. Das kann auf den Seiten 21 bis 26 der Abwägung auch jeder nachlesen. Zitat: "Das BV wird aufgrund seiner Lage im Außenbereich und fehlender Begründung der Notwendigkeit abgelehnt." Die Eingriffe in die Natur seien "nicht kompensierbar".

Die aufschlussreichen Unterlagen sind auf der Homepage der Gemeinde Ahrensfelde unter "Ratsinformationen" zur Sitzung des Ausschusses bzw. der Gemeindevertretung zu finden. Ebenso der B-Plan-Entwurf, der Städtebauvertrag und der Artenschutzbericht. Zwei Dutzend Vogelarten, teils streng geschützt, verlieren Lebensräume und Brutgebiete, ebenso Zauneidechsen, Fledermäuse, Amphibien und zahlreiche andere Tiere. 

Noch ein paar Sätze zur Abwägung in diesem B-Planverfahren. Hier sollen ja objektiv und neutral von der Kommune die Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen werden. Im Kern geht es um die Frage: Rechtfertigt der Bau von sechs Häusern die massiven Eingriffe in die Natur, in den Außenbereich, in bisher unversiegelte Flächen, in wertvolle Biotope und Freiräume?

Nun fragt man sich, warum die "Abwägungen" so mehr oder weniger eindeutig für das Bauvorhaben und die Gewinne der Grundstückseigner ausfallen. Denn die massiven Eingriffe in die Natur (Abholzung von Rodung großer Waldflächen, geschützte Arten, fehlender Ausgleich vor Ort) sind weitgehend unstrittig.

In der "Abwägung" werden aber fast alle Bedenken und Einsprüche "weggewogen", wie Fachleute sagen. Heißt: Den Bau-Interessen wird durchweg letztlich der Vorrang gegeben. Das hat System, auch bei anderen Vorhaben. Und es verwundert bei näherer Betrachtung nicht. Denn wer bezahlt das Planungsbüro W.O.W., das diese (und andere) Abwägungen für die Gemeinde vorgenommen hat? Richtig vermutet: der Investor! Ebenso wie übrigens auch den Gutachter zum Tier- und Artenschutz und zu nötigen Ausgleichsmaßnahmen. 

Da kann schon der Verdacht aufkommen, dass es dabei nicht ganz objektiv zugeht und das Planungsbüro von vorne bis hinten das Lied des Projektträgers singt ("kein Abwägungsfall"). Wer zahlt, bestimmt. Das wird von der Gegenseite natürlich heftig bestritten. Es wäre auch nicht ganz so dramatisch, wenn die letztlich zuständige Gemeinde die Abwägung des Planungsbüros kritisch prüfen und korrigieren würde.   

Doch im Falle von Mehrow wurde die Abwägung des privaten Büros offenbar weitgehend 1:1 übernommen. Für unseren gemeinnützigen Verein habe ich in der Fragestunde der Sitzung dazu explizit nachgefragt. Und der Bauleitplaner der Verwaltung, Titus Schüle, antwortete, dass man allenfalls Kleinigkeiten geändert habe, an die er sich im Detail nicht erinnere. 

Was bedeutet, dass letztlich ein vom Investor beauftragter Planer die vielen berechtigten Einsprüche der anerkannten Naturschutzverbände ab- und weggewogen hat. Der Ausschuss hat das dann wieder mal nur brav abgenickt. 

Und das soll die gebotene Objektivität und Neutralität bei einer Entscheidung darstellen, bei der es um viele 100 000 Euro versus den Erhalt von 7000 qm Forstflächen geht? Für Mehrow 21 steht fest: Die Abwägung hat schwere Schlagseite und ist anfechtbar, das Risiko einer erfolgreichen Verbands- oder Anwohnerklage gegen den B-Plan groß. 

Die Gemeindevertretung wäre daher gut beraten, den anstehende Beschluss zum B-Plan zumindest bis zur notwendigen Untersuchung von angezeigten Fledermaus-Vorkommen zurückzustellen. Denn bei früheren Felduntersuchungen und Schallmessungen wurden 2008 in einem detaillierten Gutachten mindestens drei geschützte Fledermaus-Vorkommen an der Lake festgestellt. 

Inwieweit diese Vorkommen vom Bauvorhaben und der Waldzerstörung betroffen sind, wurde bisher nachweislich nicht eingehend untersucht. Das wird auch vom Planungsbüro nicht bestritten. Es gibt dazu keine belastbaren aktuellen Untersuchungen. Der "Gutachter" zum Artenschutz (Ingenieurbüro für Grünplanung, ebenfalls beauftragt vom Projektträger) äußert in der Abwägung nur Mutmaßungen ohne fundierte Studien vor Ort. 

Laut §44 dürfen aber essentielle Jagdgebiete von Fledermäusen nicht beeinträchtigt werden (S. 25 der Abwägung Mitte rechts). Der "Gutachter" behauptet bar jeder konkreten Kenntnis, eine solche Beeinträchtigung liege nicht vor. Es wurden aber weder Feldstudien (wie 2008) durchgeführt noch irgendwelche sonstigen spezifischen Untersuchungen. Die Aussagen halten wir somit für weitgehend haltlos. Tatsache ist, dass Fledermäuse hier an der Lake regelmäßig gesichtet werden.
    
In der Bürger-Fragestunde habe ich am Dienstag die Ausschussmitglieder auch um ihre Stellungnahme zu den Abholzungen, Abwägungen und der Waldzerstörung gebeten. Es herrschte weitgehend Stillschweigen. AfD-Vertreter Marco Länger meinte dann, das sei kein Wunder. In der Sache sei doch längst alles entschieden. Und niemand wolle im "Schmieren-Blog" von Mehrow 21 zitiert werden, wurde der Autolackierer ausfällig.

Die Schmähung und Verallgemeinerung des AfD-Manns blieb unwidersprochen stehen. Weder der Vorsitzende Dreger noch Bürgermeister Gehrke oder sein Vize Schwarz riefen den Rechtsaußen zur Ordnung oder distanzierten sich. Auch so kann man Rechten Auftrieb verschaffen, Glückwunsch!  Die AfD warb bei den Wahlen übrigens mit dem Versprechen "Heimat bewahren", grünen Wiesen und Länger persönlich mit einem lichten grünen Waldweg. Soweit zu Versprechen und Taten dieser Partei.

Zur Tat schreitet auch Bürgermeister Gehrke offenbar dann gerne, wenn es gegen unliebsame Kritiker geht. Als sich Mehrow 21 gründete, erstattete die Gemeinde gegen unseren Umweltverein und mich persönlich sofort Strafanzeige, weil wenige DIN-A4-Infozettel an zwei oder drei Bäumen befestigt wurden (womit ich nichts zu tun hatte). Sogar die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen den paar Nägelchen. 

Als aber der neue Waldbesitzer Schmidt damals gleich mal das halbe Areal brutal abholzte (siehe mehrow21.de), sah die Gemeinde anders als in meinem Falle keinen Grund, selbst einzuschreiten. Und auch bei den neuerlichen Kahlschlägen vom November 2019, die von den anerkannten Naturschutzverbänden als mutmaßliche Straftat eingestuft wird, wurden Gehrke und sein Verwaltungsapparat nicht aktiv. Man habe, so meinte Vize Schwarz am Dienstag auf Nachfrage lapidar, die Anzeige an die zuständige Forstbehörde weitergereicht.

Neutralität, Objektivität, Fairness, Gleichbehandlung? In jeder Hinsicht bleibt in Ahrensfelde offenkundig noch einiges zu tun.  
                 
Autor: Thomas Wüpper

Sonntag, 9. Februar 2020

"Brüder im Geiste"

Die Ahrensfelder Gemeindevertreter der AfD:  
Herr und Frau Länger in trauter Dreisamkeit mit dem Faschisten Höcke auf einem Foto, zu sehen auf der Homepage der Ortsgruppe Ahrensfelde.